Die Geschichte der Basilika St. Martin in Landshut
gotische baukunst die überdauert
Über den beeindruckenden Resten eines romanischen Vorgängerbaus aus der Zeit der Stadtgründung Landshuts 1204 steht die heutige Stiftsbasilika St. Martin. Mit den Planungen für die Kirche begann man nach dem verheerenden Stadtbrand von 1342. In einem Zeitraum von etwa 120 Jahren entstand St. Martin in vermutlich drei Bauabschnitten, angefangen vom Chorraum (erste sichere Datierung 1392) bis hin zum Turm (Abschluss 1500) als spätgotische Hallenkirche. Es war die Glanzzeit Landshuts unter den drei "Reichen Herzögen", die mit dem Landshuter Erbfolgekrieg 1503 endete. Unter den Baumeistern, die an St. Martin tätig waren, ragt Hans von Burghausen hervor. Er starb am 10. August 1432. Ein einzigartiges Denkmal des Mittelalters ist sein portraithaftes Grabmal an der südlichen Außenwand von St. Martin, das ihn als Baumeister auch der Landshuter Hl. Geistkirche, sowie von Kirchen in Straubing, Salzburg, Neuötting und Wasserburg ausweist.
Seit 1595 ist St. Martin nicht nur eine prachtvolle Pfarrkirche, sondern auch Sitz eines Kanonikerstifts. Ein Kanonikerstift oder Kollegiatsstift verbindet eine Anzahl von Priestern, die sogenannten "Kanoniker", unter der Leitung des "Stiftspropst" zu einem Kollegium und verpflichtet sie zum gemeinsamen Gebet und zur gemeinschaftlichen Arbeit in der Seelsorge an einer Kirche, anfänglich in Landshut sogar zum gemeinschaftlichen Wohnen. Als Papst Clemens VIII. dem Drängen des Pfarrers Balthasar König und dem Antrag des Herzogs Wilhelm V. entsprach und das Moosburger Chorherrenstift St. Kastulus nach Landshut überführte, gab er ihm als Wappen den Balken und die Sterne aus seinem eigenen Familienwappen der Familie Aldobrandini. Am 15. Mai 1604 wurden auch noch die Reliquien des Hl. Kastulus von Moosburg nach Landshut überführt. An diesen Termin knüpft das jährliche Fest des Hl. Kastulus an, der als zweiter Patron der Martinskirche gefeiert wird. Nach einer Unterbrechung durch die Säkularisation 1803 wurde das Stiftskapitel mit päpstlichem Dekret vom 19. Juni 1937 neu errichtet.
Um 1700 erfolgte eine Barockisierung des Innenraumes. Der Hochaltar wurde barock überbaut, geschmückt durch ein kolossales Altarblatt begleitet von zwei monumentalen Assistenzfiguren. Sukzessive wurden alle Seitenkapellen mit neuen Altären und Bildwerken umgebaut. Die Orgel auf der Empore war bereits 1625 eingebaut worden. Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte die Wiederherstellung der gotischen Ansicht des Innenraumes. Sowohl das Hochaltarblatt wie auch die Assistenzfiguren blieben, an anderer Stelle im Kirchengebäude, als Zeugen des Barock erhalten.
Zahllose Instandsetzungs- und Renovierungsarbeiten über die Jahrhunderte an Mauerwerk, Dächern, Fialen und die Beseitigung von Kriegsschäden mündeten in einer großangelegten, von 1978 bis 1991 dauernden konstruktiven Sanierung der Fundamente und anschließend des Innenraums. Sinkender Grundwasserspiegel in nächster Umgebung führte zu Eintritt von Luftsauerstoff in das Fundament aus Holzpfählen, das die Ziegelfundamente und den darüber stehenden Bau trug. Die Pfähle wurden marode und das Bauwerk instabil. Es zeigten sich bereits erste Risse in den Gewölben. Mit Beton, Spannankern und hoher Handwerkskunst konnte eine neue Stabilität erreicht werden. Die Kirche war über Jahre hin nicht benutzbar. Den Festgottesdienst zur Wiedereröffnung feierte am 21. Juni 1981 Kardinal Josef Ratzinger. In den Jahren 1997 bis 1999 wurde der Dachstuhl erneuert und das Dach neu gedeckt. Von 2011 bis 2014 war das Hauptportal an der Reihe. In den nächsten Jahren müssen die hohen Fenster saniert werden. Ein Jahrhundertbauwerk dieses Ranges bleibt eine immerwährende Baustelle.
Bis heute ist die Stifts- und Pfarrkirche ein Ort der Begegnung und Einkehr für die Bevölkerung der Stadt und besitzt eine weit über die Stadtgrenzen hinaus wirkende Strahlkraft. Dieser geistlichen und kulturellen Bedeutung verdankt St. Martin die Erhebung zur "Basilica minor" mit Urkunde vom 3. Dezember 2001. Das ist ein päpstlicher Ehrentitel, mit dem sich nur wenige Kirchen schmücken dürfen. Er verpflichtet zu besonderer Sorgfalt in der Feier der Gottesdienste. So findet in St. Martin tatsächlich täglich die Hl. Messe statt. Die sichtbaren Insignien einer Basilika minor sind der Schirm (Conopeum) und das Glöckchen (Tinntinabulum), die den Chorraum zieren, sowie das Wappen des jeweils regierenden Papstes außen am Hauptportal.
Papst Franziskus hat das Jahr 2016 zu einem außerordentlichen Heiligen Jahr der Barmherzigkeit erklärt. Die Barmherzigkeit Gottes ist wesentlicher Kern des christlichen Glaubens. Dazu wurde nicht nur in Rom im Petersdom die "Heilige Pforte" geöffnet, sondern auch in den Bischofskirchen weltweit und in weiteren Kirchen von herausragender Bedeutung "Pforten der Barmherzigkeit" geöffnet. In St. Martin war das das Brautportal. Neben einzelnen Pilgern und auswärtigen Wallfahrergruppen kamen in der Woche vor Pfingsten die Landshuter Pfarreien, um diese Schwelle bewusst zu überschreiten. So bedeutet dieses Jahr einen Höhepunkt in der Geschichte der Martinskirche und einen inhaltlichen Markstein, hinter den es nicht zurück geht.